Markenerlebnisse
Leidenschaft für Haustiere: Das zukünftige Wachstum der Heimtierbranche
Von Andreas Schambeck
Die Menschen lieben ihre Haustiere. Diese Feststellung ist weder überraschend noch tiefgründig, aber die Liebe der Verbraucher zu ihren Haustieren ist für das größte Wachstum des Marktes für Heimtierprodukte verantwortlich, das es je gab.
Die Heimtierbranche befindet sich seit mehreren Jahren auf einem Aufwärtstrend und wächst im Einklang mit anderen Konsumgüterkategorien. Doch wie Mintel feststellt, wirkten sich mit Beginn der Pandemie Veränderungen in den Routinen auf die Beziehung der Verbraucher zu ihren Haustieren aus. Für viele Haustierbesitzer bedeutete die Pandemie, dass sie deutlich mehr Zeit mit ihren Haustieren verbringen konnten, die zu ihrer wichtigsten Bezugsperson wurden und ihnen Trost spendeten. Die gestärkte Bindung zwischen Tier und Besitzer hat dazu geführt, dass die Besitzer nach Möglichkeiten suchen, ihr Tier als Zeichen der Wertschätzung noch mehr zu verwöhnen.
Die weltweiten Ausgaben in der Kategorie Heimtierpflege sind von 123 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf mehr als 133 Milliarden Euro im Jahr 2021 gestiegen. In den Vereinigten Staaten haben sich die Ausgaben in den letzten 10 Jahren verdoppelt. In Europa steht das Vereinigte Königreich mit 5,5 Milliarden Euro an der Spitze der Ausgaben, dicht gefolgt von Deutschland.
Auch im vergangenen Jahr gab es keine Anzeichen für eine Verlangsamung der Dynamik in dieser Kategorie. Mehr als jeder vierte Tierhalter hat sich in den letzten zwölf bis 18 Monaten ein neues Haustier angeschafft (Forsa-Umfrage, 11/2021). Da die Zahl der Heimtierhalter weiter steigt, ist davon auszugehen, dass auch die Branche mitwachsen wird.
Angesichts der immer engeren Bindung zwischen Haustieren und ihren Besitzern und der Bereitschaft ihrer Besitzer, ihre Liebe auch mit ihrem Geldbeutel auszudrücken, gibt es mehrere langfristige Trends, die sich weiterhin auf die Heimtierbranche auswirken werden. Sehen wir uns einige davon an.
Haustiere gehören zur Familie.
In der Vergangenheit spielten Haustiere oft eine funktionale Rolle in der Familie, z. B. als Wachhunde oder Stallkatzen. Doch in den letzten Jahren haben Haustiere eine viel wichtigere Rolle übernommen: Pelzbabys.
Millennials, die auf traditionelle Meilensteine wie Heirat und Kindererziehung verzichten oder diese hinauszögern, wenden sich an ihre Haustiere, um eine familiäre Rolle zu übernehmen. Laut Statista bezeichnen zum Beispiel mehr als drei Viertel der weiblichen Millennials (76 %) ihr Haustier als ihr „Pelzbaby“.
Da der Besitz von Haustieren weltweit auf fast 57 % der Verbraucher angewachsen ist (GfK), genießen Pelzbabys inzwischen das gleiche hohe Ansehen wie ihre zweibeinigen Gegenstücke. Laut einer Umfrage von Fortune aus dem Jahr 2016 betrachten 76 % der Haustierbesitzer ihre Haustiere als Familienmitglieder.
Und mit der wachsenden Bedeutung von Haustieren als Familienmitglieder hat auch ihre Vermenschlichung zugenommen. Haustierbesitzer wollen nicht nur die Grundbedürfnisse ihrer Tiere erfüllen, sondern auch das Beste für sie: Sie wollen ihnen ein glückliches, gesundes und erfülltes Leben ermöglichen.
Tatsächlich ist die Vermenschlichung unserer Haustiere ein übergreifender Trend, der eine Vielzahl anderer Trends in der gesamten Kategorie auslöst, von der Premiumisierung von Heimtiernahrung und Leckereien über nachhaltige Verpackungen bis hin zur Verbreitung von wellnessorientierten Produkten und Dienstleistungen.
Von PetBnB bis hin zu intelligentem Katzenstreu – die Heimtierbranche hat neue Produktkategorien.
Die Vermenschlichung von Haustieren führt zu einer explosionsartigen Zunahme von Produkten und Dienstleistungen, die ihren Pelzbabys Erlebnisse bieten, die bisher ihren Besitzern vorbehalten waren. In einigen Fällen sind neue Produktkategorien entstanden: Feuchttücher, Zahnpasta, innovative Beruhigungsmittel, PetBnB, intelligentes Katzenstreu oder spezielle Matratzen für die Tiere.
Gerade in den vergangenen beiden Jahren stand die Beschäftigung mit Tieren, gesunde Ernährung und Neuanschaffungen für das Zuhause von Mensch und Tier im Mittelpunkt. Besonders gesunde Leckerbissen sowie das Segment „Bedarfsartikel und Zubehör“ treiben den Markt.
Haustierbesitzer achten auf Nachhaltigkeit und Transparenz, was den Kauf von Futter und Pflegeprodukten für ihre Tiere beeinflusst. Sie geben mehr für biologische, natürliche Lebensmittel aus, wollen ihren Haustieren eine höhere Lebensqualität und eine individuellere Pflege bieten und entscheiden sich für Marken und Einzelhändler, die sich für den Tierschutz einsetzen.
So sind beispielsweise 71 % der Generation X Haustierbesitzer, und da sie nun über ein hohes verfügbares Einkommen verfügen, geben sie in der Regel am meisten für die Ernährung und das Wohlergehen ihres Haustiers aus.
Darüber hinaus gibt es immer mehr wissenschaftliche Belege für die physiologischen und psychologischen Vorteile der Heimtierhaltung. Für Hersteller und Händler von Heimtierprodukten – von Futter über Pflegeprodukte bis hin zu Zubehör und Dienstleistungen – bietet dieser sich wandelnde Markt zahlreiche Möglichkeiten: abgestimmte Mahlzeiten für Mensch und Hund, Partnerschaften zwischen Lieferdiensten und „Pup-up“-Läden oder Abonnementmodelle für Boxen mit altersgerechtem Training.
Bei den Tierhaltern ist eine hohe Technikaffinität zu beobachten. Das zeigt sich am Interesse an Telemedizin, smarten Halsbändern oder der App für das Aquarium. Hier wird vor dem Kauf überproportional viel im Internet recherchiert. Und einige der tierischen Mitbewohner haben ihre eigenen Twitter/Instagram-Accounts.
Gerade junge Unternehmen legen ihren Fokus oftmals auf technische, digitale Produkte und Dienstleistungen, wie etwa DNA-Tests, GPS-Tracking, 24/7 Tierarzt-Support oder Versicherungen. Doch neben vielen Start-ups lenken auch zunehmend etablierte Player die Verbraucher auf ihre neuen Dienstleistungen und Produkte in den Bereichen Heimtiermedizin, maßgeschneiderte Heimtiernahrung, Heimtierversicherungen und verwandte Bereiche. Wenn die Prognosen für das Wachstum des Heimtiermarktes stabil bleiben, kann hier in den nächsten Jahren ein erhebliches Wachstum verzeichnet werden.
eCommerce versus In-Store: Es geht um das Erlebnis.
Das Online- und Mobile-Shopping in der Heimtierbranche boomen. Bereits heute gehört der Heimtierbedarf mit 12,3 % zu den Top-10-Produktkategorien beim Smartphone-Shopping in Deutschland (Quelle: Wirtschaftswoche). Insbesondere Tierfutter, mit festen regelmäßigen Einkaufsrhythmen, eignet sich hervorragend für das bequeme (Nach-)bestellen mit dem Mobiltelefon.
Die zunehmende Bedeutung des Internets für den Kauf von Heimtierprodukten macht sich vor allem im Jahr 2020 wieder bemerkbar. So lag das Umsatzvolumen in Deutschland bei rund 822 Millionen Euro, 117 Millionen Euro mehr als 2019, ein Plus von über 16 Prozent.
Es wird erwartet, dass der E-Commerce das zukünftige Wachstum in dieser Kategorie vorantreiben wird, auch wenn sich die jährliche Wachstumsrate mit dem Abklingen der Pandemie verlangsamen wird. Laut Statista wird der weltweite E-Commerce bis 2025 fast ein Drittel des Gesamtumsatzes in dieser Kategorie ausmachen.
Das stationäre Angebot bleibt dennoch wichtig. In vielen Ländern ist der Lebensmitteleinzelhandel nach wie vor stärkster Absatzweg für Heimtier-Fertignahrung. Der Fachhandel bleibt dagegen oftmals weiterhin führend bei Bedarfsartikeln und Zubehör. Grundsätzlich lässt sich sagen, der Einzelhandel wird überall dort profitieren, wo er individuelle Erlebnisse schaffen und mit fachkundigem Personal und guter Beratung überzeugen kann.
Hybride Vertriebsmodelle, spezialisierte Marktplätze und der Direct-to-Consumer-Vertrieb (D2C) werden in der Heimtierbranche weiterhin eine zunehmende Rolle spielen. Prominente Beispiele in Deutschland mit ähnlichen Ansätzen zeigen, dass zum Beispiel eigene Online-Markenshops und ein paralleler Vertrieb über den Einzelhandel zusammen bestens funktionieren und beide Seiten dabei profitieren.
Der Wettbewerb in dieser Kategorie wird immer härter und härter. Einerseits profitieren kleine, neue, nationale Marken und setzen sich gegenüber größeren Marken durch, andererseits kann der Discount im Vergleich zu anderen Einzelhandelskanälen an Stärke gewinnen.
Nach Daten von IRI schneiden Massen- und Fachgeschäfte bei jüngeren Kunden besser ab, was diesen Einzelhändlern in Zukunft einen Vorteil verschaffen könnte. Und online stehlen Herausforderermarken den etablierten Marktführern weiterhin Marktanteile, da die Top 10 Marken laut 1010data nur 40 % des E-Commerce-Umsatzes (USA) ausmachen.
In Marketingkanälen denken und diese verknüpfen.
Omnichannel-Markenerlebnisse und Customer Journeys – die Schaffung nahtloser Erlebnisse für Verbraucher über alle Kanäle und Berührungspunkte hinweg – werden auch 2022 eine hohe Priorität für die Heimtierkategorie haben.
Der Druck auf alle Marktteilnehmer, kanalübergreifend aktiv zu werden, ist unweigerlich gestiegen. Junge Unternehmen mit hybriden Geschäftsmodellen haben es in der Regel leichter als etablierte Pure Player, unabhängig davon, ob sie online oder in stationären Geschäften tätig sind.
In jedem Fall ist viel Bewegung im deutschen Heimtiermarkt. Während Platzhirsch Fressnapf online noch vergleichsweise klein ist, denken und handeln die Krefelder längst in einem eigenen Ökosystem für ihre Kunden und Partner statt in Kanälen.
Futterhaus hingegen entscheidet sich erst jetzt für den Einstieg ins Online-Geschäft, und die Rewe Group wagt sich mit der Marke ZooRoyal in den stationären Fachhandel. Aber alle bewegen sich. Unternehmen wie AlphaPet Ventures zeigen, dass sich technologiegetriebener Markenplattform-Ansatz und Multichannel-Vertrieb mit B2B- und stationären Handelspartnern sehr gut vertragen.
Omni-Channel ist mit seiner höheren Verzahnung erstmal für Kunden als auch für Unternehmen vorteilhafter, zugleich jedoch auch wesentlich aufwendiger in der Umsetzung. Prozesse müssen über alle Kanäle hinweg konsistent und soweit vernetzt sein, dass alle Aktionen in Echtzeit nachvollzogen werden können.
Pure-Player sollten sich daher an Multi- oder Omni-Channel herantasten und zum Beispiel über erste Cross-Channel-Aktivitäten (Click & Collect o.ä.) zunächst erste Erfahrungen sammeln.
Dabei gilt zu bedenken, je nahtloser die Kanäle, Touchpoints und Points of Sale vernetzt sind und miteinander agieren, desto komplexer wird die Customer Journey, deren Steuerung sowie der Aspekt des „Moment of Truth“.
Aber unabhängig davon, ob Multichannel- oder Omnichannel: Im Zentrum der Bemühungen muss der Kunde stehen. Er entscheidet, wie er die Geschäftsbeziehungen gestalten möchte. Und ihm muss die bestmögliche Erfahrung mit dem Unternehmen zuteilwerden.
Der Boom in der Heimtierbranche wird wohl noch eine ganze Weile anhalten, und Marken, die die Bindung zwischen den Besitzern und ihren Pelzbabys weiter stärken können, werden profitieren. Da der E-Commerce-Markt in dieser Branche noch nicht vollständig ausgereift ist, besteht noch Raum für die Entwicklung neuer Produkte und neuer Kanäle, die sowohl Haustiere als auch Menschen ansprechen.